Während sich Loh mit der Ansage „Ich muss noch was arbeiten“ entschuldigt, haben die Teams zwei Stunden Pause im Zeitplan, damit das ganze Feld Zeit hat, sich die Ausstellung anzuschauen und nach dem Fabulieren über Heldentaten oder Versagen am Morgen nun auch ans Schnabulieren macht. Fünf kulinarische Wertungsprüfungen sind beim Museumsrundgang zu absolvieren. Es beginnt in der Ferrari-Sonderschau, wo zwischen dem 250 S-Prototypen von 1952 und zum 2004er Schumacher-Formel-1 Orecciette mit Basilikum-Pesto und gehobeltem Parmesan an gebratenen Gambas gereicht werden. Draußen steht neben dem Dieselrekord-Rennwagen Opel Eco-Speedster Rinderfilet auf grünem Spargel mit Pinienkernen und Senfdressing auf dem Speiseplan. Jenseits des Mercedes 630 K Open Tourer, in den „Roaring Twenties“ schnellstes Serienauto der Welt grüßt die Küche mit Berliner Currywurst in selbstgemachter Soße, und vor Kaffee und Kuchen winken neben den abgefahrenen Prototypen „Opel Corsa Moon“ Hamburger in limitierter Auflage.
Beseelt rollt die Porsche-Gemeinde vom Parkplatz des automobilen Tempels – außer der 930 von Caren und Ernst Raue, der nicht anspringen will, und als er endlich läuft, trauen sich Vater und Tochter nicht mehr, ihn abzustellen, offenbar ein tiefer liegendes elektronisches Problem, das nicht einmal die Männer mit den goldenen Händen vom allseits bereiten AvD-Pannenservice lösen können. Leider aus dem Rennen sind Thomas und Elke Schulz, die ihr 356 Cabrio mit Kupplungsschaden abstellen mussten.
Hilflos sind die Helfer ohnehin bei Netzüberlastung mentaler Art. „Es ging damit los, dass wir eine halbe Stunde zu spät aufgestanden sind,“ gesteht Gerhardus Kreyenborg während der zweiten Rallye-Etappe mit Tochter Pia. Nicht, dass die Startnummer 73 zu spät zum Start erschienen wäre, „aber dann wären wir auf der ersten Prüfung wenigstens richtig wach gewesen.“ Die volle Runde über den Horbacher Hof kürzten diverse in einen unvollständigen Halbkreis ab. Auch die Parallelprüfung auf dem Flugplatz in Meschede konnte zu Prozessoralarm führen. Es galt zwar eigentlich nur, Startuhr und Fahrbahn im Auge zu behalten, wäre da nicht im Augenwinkel die irritierende Konkurrenz gefahren, die wahlweise erstaunlich bummelte oder davoneilte. Dennis Kissling und Tanja Seiffert stöhnen ein bisschen in Berleburg: „Gestern waren wir besser. Heute waren die Prüfungen irgendwie komplizierter“, gesteht das Duo im Votteler-Carrera 2.7 nach einer Mehrfachprüfung und dem Umkurven bunter Pylonen.
Sascha Niehüser und Melanie Verdev verlieren ein wenig an Konzentration, als ein Lastwagen ihnen einen Teil seiner Ladung vor ihr G-Modell Cabrio kippt. Der Fahrer weigert sich, etwaige Papiere herauszurücken, am Ende muss die Polizei kommen. Die lauert auch in Berghausen, wo ein Schupo im Vintage-Mantel alle Teams auf die Seite winkt. Die Oldtimer-Freunde Berghausen haben wie bei der Sauerland-Klassik üblich auch bei der Röhrl-Klassik wieder einen Überraschungsauftritt hingelegt, der Polizist mit echter Kelle entpuppt sich als fachkundiger Einweiser der Oldtimer-IG.
Völlig entspannt sind die Beamten im Hof des Schlosses in Bad Berleburg. „Schön, oder?“ begrüßt der Polizist ein befreundetes Pärchen angesichts der Porsche-Parade. „Und das Wetter passt auch.“ Von wegen: „Willst du keinen Sonnenbrand, kommst du in das Sauerland.“ Nach dem wüsten Gewitter am Vorabend strahlt den ganzen Tag der Lorenz. Das gilt auch für Thomas Groschek, der zum dottergelben 914/6 GT seine knallgelbe Sonnenbrille trägt und sich nicht mehr um die gestern beim Bremsen etwas schief ziehende Hinterachse schert. Er hat die getauschten Radlager im Verdacht. Alle Schrauben fest gezogen und voll konzentriert kommt die deutsch-amerikanische Paarung Norbert Schrader und Ralf Schoenfelder ins Ziel. Die Besatzung des orangefarbenen Targa mit der Startnummer 14 hat die Führung übernommen.
Kurz von der Rolle ist dagegen selbst der Größte: „Wir haben uns ein bisschen verfahren“, verrät Walter Röhrl als Anführer einer verirrten Rotte. Wie ernsthaft betreibt der zweimalige Weltmeister das Gleichmäßigkeitsgeschäft? „Überhaupt nicht“, sagt Röhrl bestimmt, und Spezi und Tuner Rafael Diez verrät das Geheimnis: „Würden wir das wirklich ernst nehmen, würden wir ja sofort Ärger miteinander kriegen.“
Mit dieser Herangehensweise genießt das Duo mit der Nummer eins tiefenentspannt im 2,7-Liter-911 einen sonnigen Tag auf wunderbaren Pisten bis ins Hessische und zurück. „Da wird man mal wieder daran erinnert, wie schön das Sauerland ist“, schwärmt Heidi Harsveldt. Eigentlich sollte niemand das besser wissen als das Paar mit dem seltenen 930 Flachschnauzer, dass neben einem 330 PS starken Boxer auch noch zwei Hunde spazieren fährt. Die Harsveldts betreiben nämlich einen Campingplatz am Biggesee, und zwar exakt jenen in Sondern, auf dem manches Team, inklusive Röhrl/Diez und trotz Warnung auch Schauspieler Hinnerk Schönemann die Orientierung verlor. Dietmar Harsveldt entschuldigt sich, dass die Ränge in den Camping-Vorzelten am späten Vormittag nur spärlich besetzt waren. „Es ist ja erst Freitag, die kommen alle erst am Nachmittag oder Abend.“
So geschieht es im Etappenziel in Hallenberg: Stargast Röhrl ist leicht zu finden, aber schwer zu erreichen. Rund um den mit Porsche und Porsche-Teams vollbepackten Platz am Petrusbrunnen hat sich eine stattliche Menschentraube um den Stargast gebildet. „Hier spricht die Polizei“, schallt es aus dem Lausprecher der Startnummer sieben. Aber die Staatsgewalt kommt dem Umringten nicht zu Hilfe. Am 1960er Original-356 der Autobahn-Polizei Düsseldorf hat sich mit Erlaubnis von Eigner Jürgen Wettge ein Knirps der Sprechanlage bemächtigt.
Dirk Ziggelow, Frau Rita und Filius Julius trauen sich nicht näher ran. Die wollen morgen vielleicht mal Hallo sagen. Die kleine Familie ist eigens aus Mecklenburg hinter ihrem Idol hergepilgert, jubelt omnipräsent den 150 Teilnehmern zu. Dabei schwenkt Julius demonstrativ die große Porsche-Fahne mit Autogramm. Vor zwei Jahren hat der Regensburger darauf unterschrieben, dem Beschenkten tief in die Augen geblickt und gemahnt: „Aber nicht gleich auf Ebay verkaufen!“
Das Menschen-Knäuel löst sich erst bei Röhrls Abreise auf. Trotzdem bleibt der Kirchhof von Sankt Heribert bis Sonnenuntergang gut gefüllt. Kein Wunder, gibt es doch neben reichlich kühlem Blonden und viel zu erzählen – Porsche-Veranstaltung hin oder her – die Manta-Platte mit Curry-Wurst, Fritten und Salbe für nur sechsfuffzig.
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