Der Eine sprach aus, was der andere dachte: „Man stelle sich vor, wir hätten das Wetter von gestern heute gehabt“, sagt Bernd Plöcker in der Palüdbahn-Gondel, durch die am späten Mittag der Lorenz knallt. Scharf heben sich die Zacken von fünf Zweitausendern mit der 2557 Meter hohen Mittagsspitze in der Mitte vor leuchtend blauen Himmel. Es gibt nicht viele Veranstaltungen, bei denen Teilnehmer mit der Seilbahn chauffiert werden. Wenn es an diesem Wochenende irgendwelche namhaften Beschwerden gab, dann darüber, dass die Zeit für die Mittagsrast auf der Terrasse des Bergrestaurants Goona bei diesem Wetter und diesem Panorama mit über einer Stunde noch immer zu knapp bemessen war. Und unabhängig von der Tatsache, das der Reiseveranstalter den Aufenthalt auf 1600 Metern über dem malerischen Brandnertal spontan verlängerte.
Den zwei in den Liegestühlen im rechten Terrasseneck schlägt ohnehin keine Stunde. Greta Lührmann und Christian Osters Lührmann haben massenhaft Zeit, der Mann im Standesamt hat behauptet, das ganze Leben. Vor nicht einmal zwei Wochen haben sich die beiden 26-Jährigen nach zehn Jahren das Ja-Wort gegeben und haben die AvD-Röhrl-Klassik in ihre Flitterwochen integriert. „Wir waren praktischerweise vorher schon eine Woche in Südtirol und wollten sowie so noch ein paar Tage mit Action haben. Das schwarz-bunte 964er „Testcar“ mit dem Testbild auf der Fronthaube haben seine Eltern – selbst notorische Röhrl-Klassik-Starter – organisiert. Zum perfekten Wochenende fehlten nur die angehängten Blechdosen an am Heck.
Immerhin Fähnchen bekamen Bernd Plöcker und Andrea Gramig in Lech präsentiert. Die beiden sind regelmäßig am Arlberg zum Skilaufen oder Porsche-Wedeln, und die Wirtin ihrer Stamm-Pension begrüßte sie und das ganze Feld tatsächlich mit geschwenkter Flagge.
Ansonsten waberte eine fäkale Fahne am Hochtannbergpass. Die lange nach Erstellung des Roadbooks errichtete Baustelle hatte die Fahrtleitung zwar zähneknirschend auf dem Zettel, aber nicht, dass neben der AvD-Röhrl-Klassik im selben Gebiet an diesem Tag noch drei weitere Veranstaltungen parallel laufen. Beginnen wir mit den harmloseren: Das internationale Viper-Treffen war eher eine willkommene Abwechslung, die bulligen Dodge und Chrysler brachten zusätzlich Pferdestärken und Farbe ins Wiesengrün der Berge, womit wir bei Thema zwei wären: Dem Weltwiesenmähtag. Allein neben dem Sägewerk in Bezau waren zeitgleich vier Grasschneider am Start, überall wimmelte es von rotierenden und hin und her zackenden Hackmessern. Das alles hätte nicht weiter gestört, wenn nicht die Hauptabnehmer der Heuernte heute Ferienende hätte. Dass am 6. September Almabtrieb ist, hatte das Orga-Büro durchaus ebenfalls auf dem Zettel, dass sich die Rindviecher derartig bitten lassen, allerdings nicht. Auf der B200 kurz vor Au/Schoppernau stockte die Kohorte das erste Mal, bis zur Mittagsrast staute sich das Feld mindestens an vier Stellen länger und drohte gesundheitsschädlich für den Zeitplan zu verklumpen.
Orgachef Peter Göbel wechselte schlagartig die Sportart von Rallye zu Blitzschach. Um nicht an den anschließenden WPs einen Massenandrang des gestauchten Feldes zu erleben, mussten schweren Herzens zwei Prüfungen gestrichen und die Mannschaften umgruppiert werden. „Ich habe in zwei Stunden 80 Telefonate geführt“, sagt der Sauerländer. Die Anfrage, damit ins Guinness-Buch zu kommen, geht am Montag nach der Rallye raus.
Das hat uns etwa eine halbe Stunde gekostet“, rechnet Hinnerk Schönemann nach und betont: „Das war die schönste Stauzeit überhaupt. Hier waren die Kühe, dort die Autos, da die Berge.“ In der Startnummer eins tutet man ins gleiche Horn. Walter Röhrl hat etwa eine Stunde verloren, aber „das hat aber irgendwie nicht gestört.“ Erstens hat die Sonne schön geschienen, zweitens ist Stehen kein großes Thema, weil ein Porsche selten überhitzt. „Heute war das Highlight“ sagt der Doppelweltmeister über die finale Etappe über den Hochtannberg, den Flexenpass, mit 1773 Metern das Dach der Tour de Röhrl, dem Ritt durchs Kleinwalsertal und dem Hupfer über das Faschinajoch.
Noch nie haben sich Reisende so sehr über braune Streifen und platte Fladen auf der Piste gefreut, kündeten die stinkenden Stoffwechselreste doch davon, dass der Viehtrieb hier schon gelaufen war. Nach der Mittagsrast flutschte der Verkehr spürbar besser.
Damit sich alle noch aufbrezeln und rechtzeitig vor der Abendgala im Festspielhaus bei süßen und salzigen Häppchen die Abenteuer des Tages austauschen können, führten die letzten Kilometer durchs Rheintal über die Autobahn nach Bregenz. Und dann ist es wie immer: Eben noch jammern wir über einen langen Tag und zähen Verkehr, plötzlich ist der Zielbogen der vierten AvD-Röhrl-Klassik durchfahren und wir denken: Ach, schon wieder vorbei? Und jetzt wieder ein ganzes Jahr warten?
Unsere Gedanken sind mit Hans-Christian Vastert und Christian Sprinkmeyer, sowie Jörg und Petra Pfisterer. Der 79er 911 SC mit der 45 und der 84 Carrera mit der 101 strandeten mit Pannen quasi am Rheinufer in Altach nach 647 Kilometern nur 22 Kilometer vor dem Ziel. Selbst die schnelle Eingreiftruppe des AvD konnte die beiden Autos auf die Schnelle nicht mehr flottmachen.
Wenige Stunden später im großen Festsaal des Festspielhauses versuchte die Technik-Truppe des Orga-Teams das versammelte Starterfeld im Finale zu täuschen und ließ „Gonna fly now“ aus dem Rocky-Soundtrack spielen. Zur Echten-Kerle-Musik tänzelten aber zwei junge Damen auf die Bühne. Schon als Moderator Peer Günther den Fahrzeugtyp auf der Leinwand einblenden ließ, quietschte das Duo des Teams „Let’s have Fun“ vor Freude auf den Sitzen. Mit ihrem 3,2-Liter 911 Targa, Baujahr 85 haben Julia Kraeplin und Lea Plischkaner Geschichte geschrieben. Peter Göbel, als Aktiver selbst Sieger bei 21 historischen Rallyes verneigte sich tief: Erstmals bei einer seiner Rallyes hat ein reines Damen-Team gewonnen.
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