Dusche und Demo – Sonne, Begeisterung, Applaus, Oberstaufen

Unverdient nass wird die Porsche-Kohorte am Morgen auf dem Weg hinüber ins bayrische Allgäu, aber am Ende wird alles gut – nicht nur trotz, sondern gerade wegen einer Demo in Bregenz.

Am Abend um kurz vor Sechs formiert sich die Gegendemonstration. Mit dem Weißbierglas in der Linken und dem aus dem Café am Kornmarkt requirierten Stuhl wankt ein Endfünfziger in Jeans, Hemd und Brille 50 Meter vor dem Zieleinlauf auf die Straße, hockt sich gegen die Fahrrichtung mitten im Weg nieder und weigert sich trotz der breiten Schultern von Orga-Mitarbeiter Jan Wildelau beharrlich, die Fahrbahn zu räumen. Erst als ein Polizist auftaucht, räumt er maulend das Feld. Eigentlich wollte er nur cool sein und den besten Blick auf die Porsche-Popos haben.

Zugegeben, offiziell darf hier sonst eh kein Auto fahren. Der Bregenzer Bürgermeister wollte gern, biss aber in Sachen Genehmigung selbst bei seinen Behörden auf Granit, bis einer eine clevere Idee hatte: „Wir haben jetzt eine Versammlung angemeldet, das ist nichts anderes als eine Demonstration, und so freue ich mich, euch in der Innenstadt begrüßen zu dürfen“, sagt er zu dem passend vor dem Theater inszenierten Spektakel. Und so war das Etappenziel nach den 260 Kilometern dieses Freitags eben nicht das Etappenziel, sondern offiziell ein Versammlungsort. Thema der neben dem Beton-Porsche von Künstler Gottfried Bechtold angesetzten Demo: Der Oldtimer als Monument der Nachhaltigkeit. Als Diskussionsgrundlage und Infomaterial verteilte das Vorauskommando Röhrl-Klassik-Programmhefte.

Bürgermeister Ritsch, der am Donnerstag noch unermüdlich mit der Staatsflagge wedelnd sämtliche 169 Teams auf die Reise geschickt hatte, verteilte nun Geschenke an die Ankommer in Form einer Schokoladenminiatur des „Seebrünzlers“, wie die Bregenzer diffamierend von den anderen Bodensee-Anreinern genannt werden, weil sie beim Baden im See angeblich nie eine Toilette brauchen. Das Stadtoberhaupt macht gar keinen Hehl aus der Sache und gesteht: „Deshalb nehmen wir Brengenzer zuhause nur Grundwasser.“ Und was den im Schwaben-Ländle wohnhaften Organisator Peter Göbel interessieren dürfte: „Das Seewasser trinken sie in Stuttgart.“

Es ist als wäre nichts gewesen. Zwei Hundertschaften Leute bevölkern den Kornmarkt mit Bierhumpen und Weißweingläsern im Stehend-Anschlag, genießen die Abendsonne und applaudieren den Teilnehmern. Zugegeben, Gerold Trommelschläger hat das Dach von seinem Porsche 356 Speedster mit Steckseitenscheiben erst auf den letzten Metern für die Demo aufgemacht. „Wir haben heute morgen noch zwei Liter Wasser aus dem Fußraum geholt“, sagt Gattin Marlies, in der Linken mit einem nassen Lappen winkend, während die Rechte den mitreisenden Chihuahua hält.

Wie zum Hohn schaut am Mittag noch der übergroße König Ludwig von der Fassade des Festspielhauses Füssen. Die Geschichte vom bayerischen Märchenkönig führen sie hier als Musical auf. Ins Wasser gehen kann jeder, aber durchs Wasser oder gar drüberlaufen, das muss der Porsche-Gemeinde erst mal einer nachmachen. Beim Blick durch die trübe Suppe rüber über den grauen Forggensee zu Ludwigs berühmter Schöpfung Neuschwanstein sagt Fotograf Hans-Dieter Seufert: „Könnte von hier aus gesehen auch eine Betonfabrik sein.“

Wer dachte, mit Donner, Blitz und Hagel am Vorabend sei dem großen Drama Genüge getan gewesen, sieht sich geschnitten. Es hat sich eingeregnet in der Nacht. Auf der dritten Etappe über den Riedbergpass Richtung Füssen regnet es Fäden, Seile und Taue – im Prinzip alles außer Hunde und Katzen. Da hat es auch nichts genützt, dass die AvD-Röhrl-Klassik allein auf dem Weg von Bregenz nach Füssen vier Mal die Grenze gewechselt hat. Trotz Schietwetter, sowohl in Vorarlberg, als auch in Bayern, ist unter dem barocken Kaisersaals im Hof des Füssener Rathauses ein kleiner Empfang für die VIPs Walter Röhrl und Hinnerk Schönemann aufgebaut. Röhrl und Beifahrer Christian Geistdörfer kommen zehn Minuten vor der Zeit an, zum einen, weil Geistdörfer im Gewirr der Altstadt mit dezidierter Ortskenntnis glänzt, „Ich bin hier ein Jahr zur Schule gegangen.“ Röhrl dagegen führt den Vorsprung auf den 20 Minuten später eintreffenden Schönemann wie gewohnt auf seine fahrerische Klasse zurück: „Weißt, im Regen kannst du halt den Unterschied machen“, erklärt er grinsend dem Füssener Bürgermeister Maximilian Eichstätter.

Für die Füssener macht das Wetter keinen Unterschied. Die Korbstühle im Café Lucca sind gut besetzt. „Ich find den Gelben schön“, verkündet die fünfjährige Elisa über den 74er Carrera von Stefan Mecheels und Elisabeth Rohldeder und fordert: „Mama, ich will auch ein Rennauto.“ Die hat es allerdings eher mit dem 65er Elfer von Steffen Roehn und Marc Hilbrat. Drinnen sitzen Angelika und Jürgen Zilonka aus dem westfälischen Werne, bis heute Morgen noch im Urlaub, jetzt in emotionalem Ausnahmezustand: „Guck mal, Gänsehaut“, sagt Jürgen auf seinen Unterarm zeigend. Sein Leben lang hat er von einem 930 Turbo geträumt, kann sich aber trotz Babyboomer-Rente bis heute keinen leisten. Beim Anblick des weißen Sehnsuchtsorts von Ewald und Arno Decker vorhin gesteht Zilonka: „Da hatte ich Tränen in den Augen.“ Die Ränge leeren sich trotz kalter Dauerdusche an der Stempelkontrolle der Füssener Altstadt erst, als Sprecher Peer Günther das Mikrofon ausschaltet und zum ersten Mal seit zwei Stunden atmet.

Die sich vom Bodensee bis ins Allgäu verschworenen Wetterhexen müssen feststellen, dass sie weder beim Publikum, noch bei den Teilnehmern die gute Laune brechen können. Thomas Herold strahlt noch mehr als sein roter 356 und erzählt: „Schlauchprüfungen sind nicht so mein Ding, aber die Landschaft, die ist grandios.“

Es dauert bis zum Mittag, bis der Hexenrat zusammentritt, bis späten Mittag, bis man beschlussfähig ist, und bis zum frühen Nachmittag, bis Zähne knirschend die Kapitulation unterschrieben ist. Gegen drei reißt es auf einmal den Himmel auf, ein Weilchen noch wabern Wattebäusche durch die Täler, und harmlose Schäfchenwolken ziehen über den Himmel. Am frühen Abend in Bregenz ist das Firmament wieder wolkenlos. Am späten Abend prangen die goldenen Sternlein, und der über Lindau aufgegangene Vollmond grinst  über den See: „War irgendwas?“ Bürgermeister Michael Ritsch behauptet steif:  „Für das gute Wetter haben natürlich auch wir gesorgt.“

Und so soll es bleiben, wenn es morgen in noch höhere Gefilde geht. Mag sein, dass die Temperatur gemäßigt warm bleibt, beim Kampf um die Plätze dagegen geht es heiß her. Die Führung hat gewechselt, das Damenteam Julia Kraeplin und Lea Plischkaner haben sich im 911 Carrera Targa WTL als neue Nummer 1 in der Gesamtwertung nach vorne gearbeitet. Und auch Schauspieler Hinnerk Schönemann konnte sich im internen VIP-Ranking mit Platz 73 vom Rallye-Weltmeister distanzieren. Aber auch hier hat Röhrl den passenden Spruch auf Lager: „Unsere erfolgreiche Zeit war vor vielen Jahren, wir müssen nichts mehr beweisen.“ Mit Platz 91 liegen die beiden aber immer noch unter den Top100, wenn mal alle Autogramme der letzten drei Tage dazuzählt, reicht eine weitere 0 noch immer nicht.


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