Altbekanntes Neuland – so war der erste Tag bei der Röhrl-Klassik

Es ist längst noch nicht Wochenende, aber auf dem Bauernhof Schütte-Mühle am Ortseingang von Nordenau stehen rund 100 Leute bei Bier und Grillwurst und warten auf den Helden. Walter Röhrl, wie gewohnt im Zentrum des Geschehens, schreibt Autogramme, Gattin Monika steht grinsend abseits und staunt: „Was da Leute an der Straße stehen“, sagt sie begeistert.

Es hat wie ein Überfall begonnen. Als die Röhrl-Klassik um 14 Uhr auf dem Marktplatz von Winterberg in ihre dritte Ausgabe startet, lungern an den Tischen des Restaurants auf dem Kahlen Asten zwei Dutzend Touristen, von denen die Mehrheit völlig ahnungslos scheint. Kaum kommt um 14:10 Uhr der Porsche mit der Startnummer 1 um die Ecke des Astenturms gebogen, wachsen aus dem Nichts plötzlich Fans und gestandene Autogrammjäger aus dem Boden. Gerade zehn Minuten auf der Piste, muss der Namenspatron vom Sport-Quattro-Modell bis zum Handy-Etui so ziemlich alles unterzeichnen, was ihm gereicht wird. Wer im Zentrum in Winterberg nicht zeitig da war, sieht nur noch mehrreihig die Rücken der Frühaufsteher.

Winkende Einheimische allerorten, bei bestem Indianersommer-Wetter ist das Sauerland auf den Beinen – oder auf den Rädern. Die Fahrzeugpalette am Wegesrand reicht vom Aufsitzmäher bis zum Campingstuhl auf der Unimog-Ladefläche. Beim Zieleinlauf auf der Marktstraße stehen Old- und Youngtimer Spalier, ganz vorn links ein weißer Ferrari Quattrovalvole, rechts ein froschgrünes Kadett-Coupé.

Jens Voege und seine Frau haben die Party auf dem Hof Schütte-Mühle organisiert, und Voege hat zur Zierde seinen Audi Quattro auf der Wiese drapiert. „Falsche Marke“, mokiert ein Schaulustiger. Frau Voege sagt entschuldigend: „Wir haben auch einen Porsche in der Garage, aber der ist eher noch ein Gerippe.“

Alles kein Problem, trotz seiner Porsche-Liebe ist der Röhrl entspannt und so zuckt er keine Sekunde, als ihn der Schütte-Mühle-Landwirt „auf der großen Maschine unterschreiben lässt. „Auf Traktoren habe ich noch nicht oft unterschrieben“, staunt Röhrl. „Morgen auf Ebay“ flachst ein Nachbar über den grünen Claas-Traktor. Und der stolze Besitzer ist noch entzückter, als ihm jemand steckt, dass der Röhrl selbst Traktor fährt – selbstredend einen Porsche.

Röhrl-Autogramme zieren auch die dunkelgrünen Socken, die Strumpf-Riese Falke nach vorherigem Abfragen der Schuhgröße an alle Teilnehmer verteilt. Eine der sieben Durchfahrtskontrollen am heutigen Tage führt direkt übers Firmengelände. Und die Falke-Truppe beweist eindrucksvoll, dass sie nicht nur mit feiner Baumwolle, sondern auch hartem Gummi umgehen kann. Als der 964 Carrera von Martin Czudnochowski und Daniel Mrohs just vor der Zentrale strauchelt, stiftet der Falke-Chef einen Keilriemen.

Schon der erste Fahrtag wird am Abend von fast allen Teams gefeiert, bis auf ein Team erreichen alle das Ziel. Es ist der Tag der Experimente. „Ich hab so viel Arbeit“, klagt Arne Brenssell, der seit 30 Jahre Porsche fährt, aber noch bei keiner Veranstaltung auf dem Beifahrersitz hockte. Am Steuer des 1970er 911 sitzt erstmals Brenssells Ältester. „Er ist jetzt 30, da darf er auch mal ans Steuer“, meint der Senior.

Als Sanduhr-Sieger der letztjährigen Sauerland-Klassik sind Armin Rössner und Leonore Jahn absolute Routiniers, und doch ist heute alles anders: „Wir starten erstmals mit elektronischen Uhren“, sagt Jahn, die sich an das entspannte Leben mit Schnittcomputer erst noch gewöhnen muss. Prompt droht sie: „Wenn wir da nicht weit genug vorn sind, fahren wir morgen wieder Sanduhr.“ Es wird wohl digital weitergehen. Die Startnummer 58 liegt auf Gesamtrang fünf.

Durchaus nicht ohne Ehrgeiz sind Erik Björk und Britta Kröncke mit einem 964 Carrera 2 ins Rennen gegangen. Auto und Einsatz hat Röhrl-Klassik-Mannschaftsarzt André Kröncke seinem Geschäftsführer und seiner Gattin gestiftet. Die gibt eine klare Parole aus: Spaß haben und Siegen. Bei Etappen-Halbzeit gibt sich Björk bescheiden: „Ich gewöhne mich noch ans Auto“, im Ziel dagegen heißt zum Thema Gesamtsieg selbstbewusst: „Wir sind im Soll.“ Am breitesten im Weg steht dabei das Duo Frank Schmerbeck und Monika Ebner, das im 356 mit der Startnummer 2 das Klassement anführt.

Zum ersten Mal fährt Jochen Deimann eine Oldtimer-Rallye, und das, obwohl das Restaurant seines Golfclubs bei Schmallenberg für die 151 Teilnehmer das Abendessen mit Grillbüffet ausrichtet. Absolutes Neuland ist das Rallye-Thema auch für Copilotin Pia Schröder im 924S. Bei Ankunft auf dem stockdunklen Marktplatz in Winterberg strahlen Fahrer Gerhardus Kreyenborg in die Kameras: „Gut, Geil!“ lautet das Fazit und die gute Laune ist berechtigt: Vater und Tochter liegen auf Platz sechs.

War nur Spaß, sagt das Sauerland zum Wetterbericht. Um halb neun zucken nach einem blitzblauen Himmel plötzlich Blitze und der Donner lässt die Schieferschindeln zittern. Angesagt waren eigentlich drei Tage eitel Sonnenschein. Die einzige nicht übernatürliche Erklärung: Hitzegewitter. Die Gegend ist 25 Grad im anbrechenden Herbst einfach nicht gewohnt.

Nur gut, dass Siegfried Käser seinen 964 schon ins Ziel gebracht hat. Bei hereinbrechender Nacht und nasser Straße haben einige Elfer-Cabrios schon den Laden dicht gemacht, hinauf zum Etappenziel in Winterberg ist das Ehepaar Käser mit seinem dottergelben Speedster natürlich offen gefahren. „So schnell machen wir nicht zu“, verkündet Käser stolz, um dann kleinlaut zu verraten: „Das Dach ist auch viel zu kompliziert.“

Als über dem Golfclub Deimann bei Schmallenberg noch die milde Abendsonne schien, streute Konrad Delius schon am ersten Tag Rosen: „So kannte ich das Sauerland noch gar nicht“, sagt der ehemalige Verlagschef des Delius-Klasing-Verlages, als regelmäßiger Besucher des Mountainbike-Festivals in Willingen durchaus der Gegend kundig. „So viele Leute am Straßenrand – und alle so nett. Tolle Landschaft, tolle Strecken, da könnt Ihr stolz drauf sein.“


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